Quantcast
Channel: Hannover – Ad hoc
Viewing all articles
Browse latest Browse all 7

Jetzt wollen Bahn und Telekom ihre Kunden verstehen

$
0
0

Die beiden Vorstandschefs beschreiben die schöne neue Welt für das Reisen und Kommunizieren. Haben ihre Konzerne die Botschaft schon verstanden?

Die Rückfrage des Lesers auf dem Kurznachrichtendienst Twitter kommt prompt: „Wenn sich Staatskonzerne über Digitalisierung austauschen, wird die Bahn dann auch analog präziser?“ Der Leser hat auf dem Weg der modernen Echtzeitkommunikation mitbekommen, dass auf der Computermesse Cebit in Hannover gerade eine Podiumsdiskussion mit Timotheus Höttges, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom, und Rüdiger Grube stattfindet, der dieselbe Funktion bei der Deutschen Bahn innehat. Seine Frage zeugt davon, welche Schwierigkeiten die beiden Konzerne auf dem Weg in die Digitalisierung im Dialog mit ihren Kunden zu bewältigen haben: Wer an die Bahn denkt, dem fällt das Wort Verspätung ein, man denkt an schlechte Informationen am Bahnsteig, an Züge, die ohne Vorankündigung in umgekehrter Wagenreihung im Bahnhof einfahren.

Und wer an die Telekom denkt, der leidet im Zweifel noch unter der Erinnerung an die Umstellung seines analogen Anschlusses auf digitale Technik, der hat sich schon mehr als einmal über den Kundendienst geärgert – und er fragt sich, vor allem dann, wenn er außerhalb von großen Städten wohnt, wann die Bandbreite seines Internetzugangs endlich in der Neuzeit ankommt. Die Chefs ausgerechnet dieser beiden Unternehmen haben sich also auf dem Telekom-Stand auf der Cebit verabredet. Dort aber, immerhin, reden sie über die richtigen Dinge.

Grube betont, sein Unternehmen wolle bei der zunehmenden Vernetzung von Maschinen und Geräten mit dem Internet nicht der Getriebene, sondern ein Treiber sein: So verfolge die Bahn inzwischen mehr als 260 Digitalisierungsprojekte in sieben sogenannten Labs, in denen es zum Beispiel um die Zukunft der Logistik, der Arbeit oder auch der Infrastruktur gehe. Zu den Themen gehöre auch die Früherkennung von Schwachstellen mit Hilfe von Sensoren bei Loks, Weichen, 3300 Aufzügen oder Rolltreppen. Stets geht es darum, ungeplante Ausfälle zu minimieren – weil man sie mit Hilfe der Sensortechnik besser vorhersehen und schneller lokalisieren kann.

„Die Mobilität wird durch die Digitalisierung völlig neu definiert“, sagt Grube. Und wenn es um das Netz und die Bahnhöfe geht, lässt sich auch gut nachvollziehen, dass es mit der Bahn möglich sein sollte, ihre eigene Infrastruktur mit der Hilfe von Bits und Bytes deutlich zuverlässiger zu machen. Das aber ist nur die eine Seite. Mindestens ebenso großer Nachholbedarf besteht für die Bahn im Dialog mit den Kunden. Schon die Hälfte aller Fernverkehrsbuchungen erfolge online, sagt Grube. Aber er räumt auch ein, dass sein Unternehmen mit den Daten, die dabei erzeugt werden, noch viel zu wenig anfange. Das gilt erst recht für das gesamte Datenpaket, das anfallen könnte, wenn die Bahn die Bedürfnisse ihrer 7,5 Millionen Passagiere besser erfassen, auswerten und bedienen würde, die Tag für Tag in ihren Zügen unterwegs sind. Hinzu kommt, anders als bei der Infrastruktur, dass Wettbewerber auf den Plan treten können, die sich zwischen das Produkt der Bahn und den Kunden schieben. „Bei Hotels ist das ja schon geschehen“, sagt Grube. „Und es ist ja vorstellbar, dass so ein Portal auch für die Bahn auf den Markt kommt.“ Für Grube wäre das ganz offensichtlich ein Horrorszenario.

Denn der bessere Kontakt zum Kunden, das machen, was der Kunde wolle – das ist auch das, was Höttges umtreibt. „Im Silicon Valley wird ganz anders gearbeitet als in Deutschland“, sagt Höttges. Zudem brauche die Industrie angesichts der rasanten Veränderungen durch den digitalen Wandel „eine neue Generation von Managern“. Es gelte, die Techniker an die Macht zu bringen, sich von Jüngeren begeistern zu lassen, über die Grenzen des eigenen Unternehmens hinauszublicken: „In unseren eigenen Silos ist doch alles perfekt optimiert“, sagt Höttges: „Wir müssen jetzt aber horizontal denken, uns mit Partnern vernetzen, dort entstehen die neuen Geschäftsmodelle.“ Einer dieser Partner der Telekom ist die Bahn – und Grube verspricht für den Jahreswechsel abermals die Einführung des kostenlosen W-Lan auch für Passagiere der zweiten Klasse. „Wir haben für mehr als 500 Millionen Euro LTE-Masten entlang der Strecke aufgebaut. Es ist gar nicht so einfach, sehr schnelle Züge zu versorgen“, sagt Höttges dazu – und sieht wohl weitere Investitionen auf sich zukommen. Und wenn so ein Netz einmal steht, wäre es natürlich schön, wenn mehr Züge auf den Schienen unterwegs wären. Dem jedoch sind Grenzen gesetzt – insofern hat Höttges mit Freude festgestellt, dass die besseren Netze im Zug einen überraschenden Effekt hatten: „Die Datenverkehre im Zug explodieren heute, denn es werden über das Netz Videos abgerufen oder Fernsehen geschaut.“

So ist die digitale Welt – es entstehen Umsatzpotentiale, mit denen man zuvor nicht rechnen konnte. Daran wird auch Grube denken, als er vom Telekom-Stand zu den Start-ups in Halle 11 aufbricht. Dort fördert die Bahn junge Unternehmen, die ihr bei der Digitalisierung des Netzes helfen. Wer weiß, was daraus noch wird? Grube treibt die Gründer zur Eile bei der Entwicklung an – und verabschiedet sich mit einem „High Five“. Die Jugend ist gefragt – und mit ihrer Hilfe wird die Bahn vielleicht ja tatsächlich auch irgendwann analog präziser.

von Carsten Knop erschienen in Ad hoc ein Blog von FAZ.NET.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 7

Latest Images

Trending Articles





Latest Images